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Alexander Mitscherlich analysiert Jugendproteste

Für Alexander Mitscherlich gehört zur Kindheit seit je lauter Protest. Dieser ist intensiver, als er in gewöhnlichen Zeiten von Erwachsenen zu hören ist. Es wäre jedoch ein Irrtum dies nur auf Wachstumskrisen zurückzuführen. Alexander Mitscherlich sieht darin eher die unausgesprochene Hoffnung der jugendlichen Rebellen, die verweigerte Anpassungsleistung werde ihnen die Frische und Unbestechlichkeit des Blicks und den Elan der Jugend für die Verwirklichung politischer Zielsetzungen erhalten.

Der Protest richtet sich gegen einzelne Verhaltensweisen von Menschen

Die Jugendlichen wünschen laut Alexander Mitscherlich keine Konsolidierung ihrer Persönlichkeit nach einem von ihrer Gesellschaft vorgegebenen Rollenschema, wobei es egal ist, ob sie sich im Protest üben oder in die Welt halluzinatorischer Drogen zurückziehen. In der Regel richtet sich der Protest dabei gegen einzelne Verhaltensweisen von Individuen oder Gruppen. Er beginnt bei jedem nicht einfach schlichtbaren Konflikt des Luststrebens mit äußeren oder inneren Hindernissen.

Mit zunehmender Wahrnehmung der Realität und der wachsenden Fähigkeit zur Empathie in den oder die Partner, die den Protest hervorgerufen haben, wird er verändert. Das Individuum lernt, sich den imperativ nach Ausdruck suchenden Signalen der Unlust entgegenzustemmen. Zudem wird die Notwendigkeit von Verzichten erkannt. An der Entfremdung zwischen den Subkulturen protestierender beziehungsweise rebellischer Jugendlicher und den übrigen Kulturgruppen ist laut Alexander Mitscherlich auch der normale Entwicklungsgang beteiligt.

Die Art des Protests hängt von der Mutter-Kind-Beziehung ab

Die Angemessenheit des Protestes hängt für Alexander Mitscherlich natürlich von der Art der Mutter-Kind-Beziehung ab. Zudem betont er ausdrücklich, dass es einen solchen Protest gegen die Gesellschaft zu allen Zeiten sinnvoller Weise gegeben hat. In der Beziehung zwischen Mutter und Kind entscheidet sich, welche grundlegende Fähigkeit zur Empathie das Kind erwirbt. Alexander Mitscherlich weist ausdrücklich darauf hin, dass die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen, eben nicht dem Individuum als ein automatisches Reifungsprodukt zuwächst.

Kurzbiographie: Alexander Mitscherlich

Der Arzt, Psychoanalytiker und Schriftsteller Alexander Mitscherlich, geboren am 20. September 1908 in München, leitete von 1960 bis 1976 das von ihm gegründete Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt am Main. Im Jahr 1969 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zu seinen Hauptwerken zählen: „Auf dem Weg zu vaterlosen Gesellschaft“, „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“, „Die Unfähigkeit zu trauern“ sowie „Die Idee des Friedens“. Alexander Mitscherlich starb am 26. Juni 1982 in Frankfurt am Main.

Von Hans Klumbies

 

 

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